Das war ein starker Auftritt anlässlich der Bürgerfragestunde im Rat der Stadt Aachen. Zwölf Ärzte (aus ganz unterschiedlichen Fachrichtungen) machten gestern auf eine Gefahr aufmerksam, die die Menschen in der hiesigen Region bedroht. Der Risse-Reaktor im belgischen Tihange hatte die Mediziner ins Rathaus getrieben.
Schon mehrfach waren die belgischen Atomreaktoren Gegenstand von Beratungen der Kommunalpolitiker. Ganz Blöde sagen einfach: Das ist Belgien, da hat der Aachener Rat keinen Einfluss drauf, da kann man nichts machen. Andere wissen, dass im vereinten Europa längst eine andere Denkweise Einzug gehalten hat und man füreinander verantwortlich ist. Auch Verbrechen, die jenseits der Grenze geschehen, müssen wir in der EU nicht dulden. Wir müssen uns dazu äußern und aktiv werden.
2 (und Doel 3), nur 60 Kilometer von Aachen entfernt, viele Risse entdeckt. Seitdem werden es immer mehr und die Risse werden auch immer länger. Das ist gefährlich, denn der Reaktordruckbehälter ist das Herz jeden Reaktors, in dem die atomare Kettenreaktionen bei etwa 325 Grad Celsius unter Druck abläuft. Der Druck entspricht einer Kraft, als ob das Gewicht von vier ICE 3 Zügen auf jedem Quadratmeter Fläche des Druckbehälters lastet.
Ende März diesen Jahres wurden endlich Zahlen zu den Messungen der Bruchstabilität veröffentlicht. Es gab „unerwartete Ergebnisse“, und der Reaktor wurde sofort runtergefahren.
Die Ärzte traten im Rathaus in ihren weißen Kitteln auf, was seine Wirkung nicht verfehlte. Sie verteilten Jodtabletten, denn bisher hat sich der Rat geweigert, darüber nachzudenken, ob es vielleicht Sinn macht, dass alle Aachener Haushalte diese Tabletten vorhalten. Außerdem informierten die Doktoren mittels Flyer über die Gefahr, die uns hier in Aachen bedroht. Drei von ihnen wandten sich in der Bürgerfragestunde an den Oberbürgermeister (OB) und an den Rat.
Sie wollten wissen: Ob sich der OB in seinen regelmäßigen Gesprächen mit den Belgiern für die endgültige Stilllegung des Risse-Reaktors aussprechen werde? Ob zur Sicherheit der Bevölkerung nicht endlich mal Jodtabletten (schützen im Fall einer Katastrophe vor Schilddrüsenkrebs) ausgegeben werden? Warum die vom Bundesamt für Strahlenschutz geforderten Katastrophenschutzübungen im Raum Aachen noch nie stattgefunden hätten?
Oberbürgermeister Marcel Philipp antwortete ausweichend, stellte aber klar, dass er auf einer Linie mit der Bundesregierung ist und einen europaweiten Ausstieg aus der Atomenergie befürwortet. In der Bürgerfragestunde ergriff auch Caroline Reinartz das Wort und machte auf ihre bekannt volkstümliche Art klar, dass jetzt aber mal ganz hurtig Jodtabletten verteilt und andere Maßnahmen ergriffen werden müssen. Sie und die Mediziner erhielten viel Applaus, auch von einzelnen Mitgliedern des Rates.